Ansgar hat geschrieben:
Gut Lesen michael:happy:
Im Laufe des Hochmittelalters wurde das Rittertum immer stärker idealisiert und verherrlicht. Seit der Regierungszeit Friedrich Barbarossas (König von 1152 - 1190) durfte sich nur noch derjenige zum Ritter weihen lassen, der nachweisen konnte, daß sich schon sein Vater und sein Großvater mit diesem Titel schmücken durften.
Sowohl der König und der Adel als auch die Kirche hatten gegenüber dem Ritter ihre Erwartungshaltungen. Der König wünschte ihn als mutigen, schnellen und starken Kämpfer. Die Kirche wollte ihn als "geistlichen Soldaten" gegen Ungläubige und Friedensbrecher einsetzen und forderte von ihm, stets auf Gottes Wegen zu wandeln und einen vorbildlichen Christen abzugeben. Die Ritter selbst verlangten von ihresgleichen, daß sie über gute Tischmanieren und die richtige Verhaltensweise im Umgang mit den Damen verfügten.
Bei all diesen Anforderungen ist es verständlich, daß die Erziehung der adligen Jungen nicht dem Zufall überlassen werden durfte.
Im Alter von sieben Jahren hatten die adligen Knaben ihr Elternhaus zu verlassen und wurden als Pagen an einen fremden Hof geschickt. Dort wurde ihnen beigebracht, wie man mit Pferden und Falken umzugehen hatte, wie man mit dem Schwert, der Lanze und der Axt kämpfte, wie die Pirsch-, Hetz- und Vogeljagd ablief, wie das erlegte Wild fachgerecht ausgeweidet und zerlegt wurde, und welche Regeln man beim Schachspiel beherzigen mußte. Außerdem waren sie im Reiten, Springen, Schwimmen, Bogenschießen, Laufen, Ringen, Klettern und im Steinewerfen zu unterrichten.
Die militärischen und sportlichen Übungen und das Erlernen der höfischen Umgangsformen hatten eindeutig die Priorität im "ritterlichen" Erziehungsprogramm.
Die geistige und musikalische Ausbildung kam bei den adligen Jungen dagegen besonders in Deutschland viel zu kurz. Nur die zur Nachfolge in der Königsherrschaft bestimmten Prinzen wurden literarisch und wissenschaftlich ausgebildet wie z.B. Kaiser Heinrich VI., der Sohn und Nachfolger von Friedrich Barbarossa.
In Frankreich und in England verlangte man vom gebildeten Herrscher schon im 12. Jh., daß er mehrere fremde Sprachen beherrschte.
Nur wenige deutsche Adlige konnten Musikinstrumente wie die Harfe, die Leier oder die Laute spielen.
Während sich der Burgherr oder ein erfahrener Waffenmeister um die militärische und sportliche Ausbildung ihres Schützlings kümmerten, übernahm häufig der Herr Kaplan die Aufgabe, den Knaben religiös zu schulen und ihm die richtigen Anstandsformen beizubringen wie: "liebe Gott aus ganzer Kraft", "gewöhne dich an Tugend", "bemühe dich um gutes Benehmen", "rede nicht bösartig", "sei brav und anständig", "danke dem, der aufrichtig zu dir spricht", "fürchte die Hölle", "folge der Lehre Gottes", "ehre Vater und Mutter" und "schütze die Armen".
Staete und Mâze waren die Zentralbegriffe des ritterlichen Tugendbuches. Staete bedeutete das Festhalten am Guten und Mâze das Gebot, in allen Dingen maßzuhalten und den richtigen Mittelweg zu gehen, also kein Fresser oder Säufer zu werden, nicht ausschweifend oder gewalttätig zu sein, nicht zu lügen, sich nicht geizig und "von schlechtem Lebenswandel" zu zeigen.
Mit 14 Jahren konnten die Pagen bei körperlicher Eignung zum Knappen ernannt werden. Wer sich dagegen in seiner ersten Ausbildungszeit als unsportlich erwiesen hatte, mußte nun die geistliche Laufbahn einschlagen.
Der Knappe hatte jetzt weitere sieben harte Jahre vor sich. Welche Anforderungen er insgesamt erfüllen mußte, um Ritter werden zu können, erfahren wir aus dem "Ritterspiegel", den Johannes Rothe um 1410 geschrieben hatte:
"Zu einem vollkommenen Manne gehört, daß er wohl reiten kann, schnell auf- und absitzen, gut traben, rennen und wenden und daß er mit Verstand etwas von der Erde aufnehmen kann.
Zum zweiten gehört, daß er schwimmen kann und im Wasser tauchen und sich vom Bauch auf den Rücken wenden und krümmen kann.
Zum dritten gehört zu einem vollkommenen Mann, daß er mit Armbrust und Bogen umzugehen weiß. Das mag er bei Fürsten wohl nützen später.
Zum vierten muß er auf Leitern klettern können, das wird ihm wohl nützen im Kriege, auch ist es gut, an Seilen und Stangen klettern zu können.
Zum fünften muß er behende sein und wohl turnieren, streiten und recht und redlich stechen können.
Zum sechsten muß er bei Gefechten und Scharmützeln ringen können, auch soll er weiter springen können als andere und mit der Rechten ebenso gut fechten wie mit der Linken.
Zum siebten muß bei Tisch er sich gut benehmen können, tanzen und hofieren, auch soll er das Bredspiel (Schach) verstehen und alles, was ihn noch zieren mag." (in: Walter Hansen, ebenda, S. 37/38)
Zu den ritterlichen Übungen gehörte auch das Stechen der hölzernen Ritterattrappe, die mit Schild und Keule ausgestattet war. Wenn dem Knappen nicht gelang, sie von seinem herangaloppierenden Pferd aus umzustoßen, drehte sich die Attrappe und die Keule traf ihn mit voller Wucht.
Außerdem mußte der Knappe jede Fleischsorte bei Tisch in der richtigen Weise vorschneiden und Jagdhunde und Falken abrichten können. Er hatte dem Herrn am Abend beim Auskleiden zu helfen, dessen Haare zu kämmen und mußte mit der Pflege und Reparatur der Waffen vertraut sein, um die Rüstung seines Herrn in gutem Zustand halten, zerscheuerte Lederteile ersetzen und Rostflecken wegpolieren zu können. Im blutigen Scharmützel hatte er zudem stets in der Nähe seines Ritters zu bleiben. Schließlich war es seine Pflicht, seinen in Bedrängnis geratenen Herrn aus einem feindlichen Haufen herauszuhauen.
Der Knappe Oswald von Wolkenstein, der als zweiter Sohn des Burgherrn Friedrich von Wolkenstein im Jahre 1377 geboren wurde, war vom 10. - 24. Lebensjahr im Dienste eines vornehmen Ritters, den er als Knappen meist zu Fuß bis in die Türkei und nach Spanien begleiten mußte.
Hatte man diese anstrengenden Knappenjahre überlebt, konnte man im allgemeinen mit 21 Jahren zum Ritter ernannt werden.
Ansgar hat geschrieben:
Fast vergessen
Seit dem 12. Jh. durfte sich nicht mehr jeder Adlige Ritter nennen. Dieser Titel, der erst in der zweiten Hälfte des 11. Jhs. eingeführt wurde, stellte nämlich mittlerweile eine Auszeichnung dar, die man sich, ob König, Graf, Ministeriale oder Nichtadliger, erst einmal verdienen mußte. Im 14. Jh. sah das schon wieder anders aus. Einige hohe Herren verliehen den Rittertitel so häufig und so wahllos, daß er schließlich an Wert verlor.
In der Ritterweihe wurde dem Ritterkandidaten nach einer durchwachten Nacht, die er betend vor einem Altar verbracht hatte, ein geweihtes Schwert überreicht. Diese Schwertleite, also die Übergabe des Schwertes, stellt einen sehr alten Rechtsakt dar, der schon bei den Karolingern in Gebrauch war. Dem jungen Herrscher, der das Mannesalter von 12 Jahren erreicht hatte, wurden schon im 8./9. Jh. feierlich die Waffen übergeben. Durch diesen formellen Akt war er erst berechtigt, selbständig zu handeln, in den Krieg zu ziehen, gekrönt zu werden oder zu heiraten. Anscheinend war diese Schwertleite damals nur im Königskreis üblich.
Im 12. Jh. wurden die ersten nichtköniglichen Schwertleiten in Deutschland erwähnt. Da sie sehr kostspielig waren, fanden sie zunächst nur in den mächtigsten und angesehensten Fürstenhäusern statt. Häufig wurden wegen der hohen finanziellen Belastung mehrere adlige Herren zugleich zu Rittern geweiht, wie es im 13. Jh. allgemein üblich wurde. Einige Landesherren ließen gegen Ende des 13. Jhs. ihre Untertanen durch die Einführung einer Sondersteuer für die Schwertleite ihrer Söhne aufkommen.
Der Ritterschlag, d.h. der Schlag mit der Hand oder dem Schwert auf den Nacken oder mit der flachen Klinge auf die linke Schulter, wurde in Deutschland erst im 14. Jh. eingeführt. In Frankreich soll er schon vorher angewandt worden sein.
Ein vorgeschriebenes Alter mußte, nebenbei bemerkt, der Ritterkandidat nicht aufweisen. Vermutlich waren die meisten Teilnehmer älter als 18 Jahre, denn sie mußten mit den verschiedenen Waffen umgehen können. Nach oben hin schien es dagegen keine Grenzen zu geben. Graf Raimund von der Provence war immerhin schon 50 Jahre alt, als er im Jahre 1235 zum Ritter geweiht wurde.